· 

Mehr Zeit durch Achtsamkeit und Hingabe

Heute habe ich 25 Kringel auf ein DINA4 Blatt gezeichnet. 25 Kringel, die viel damit zu tun haben, was sich Umfragen zufolge die meisten Menschen - neben mehr Sport, weniger Essen und mehr Gesundheit -  für das neue Jahr wünschen: mehr ZEIT.

Sich mehr Zeit zu wünschen ist selbstredend Quatsch, denn man kann nicht mehr oder weniger davon haben. Jeder hat jeden Tag genau so viel davon wie alle anderen auch. Und dennoch scheinen manche mehr davon zu haben. Nicht weil sie ständig im Café sitzen oder viel mehr Freizeit haben als andere. Sondern weil sie eine Ausstrahlung besitzen, als hätten sie Zeit in Hülle und Fülle. Wenn man sie auf der Straße trifft, haben sie immer Zeit für ein Schwätzchen. Wenn sie an einem Projekt arbeiten, erledigen sie alles in Ruhe und rechtzeitig. Wenn sie einen Berg von Arbeit vor sich haben, arbeiten sie ihn ab, ohne in Hektik zu geraten. Wie schaffen die das?

Interessant ist, dass diese Menschen nur wenig mit den üblichen Zeitmanagement Methoden arbeiten, sondern anscheinend ein anderes Geheimnis haben.

Daher geht es mir hier weniger um Strategien, wie Zeit anders, effektiver und besser genutzt werden kann (was auch sinnvoll ist), sondern mir geht es um das Zeiterleben. Denn der Unterschied zwischen den Zeit-Gestressten und den Zeit-Habern liegt nicht auf der Verhaltensebene, sondern auf der Einstellungs- und Erlebensebene.

Zwei Menschen können einen Tag lang die selben Tätigkeiten ausführen, und der eine wird abends sagen: das war heute ein stressiger Tag, ich bin nur von einem To Do zum nächsten gerast und habe dennoch nichts geschafft. Und der andere wird sagen: das war heute ein guter Tag, da habe ich viel erledigt, ohne aus der Puste gekommen zu sein. Dem Unterschied zwischen diesen beiden wollen wir hier ein bisschen auf den Grund gehen.

Zunächst zurück zu den eingangs beschriebenen 25 Kringeln. Jeder davon repräsentiert für mich einen mehrere Wochen dauernden Urlaub als Rucksackreisende in ferne Länder mit unbekannten Zielen. Vermutlich so viele dieser für mich sehr wichtigen Reisen werde ich in meinem Leben noch machen können.

Inspiriert dazu wurde ich von Tim Urban in seinem „Wait but why“ Blog. Er hat alle möglichen Tätigkeiten visualisiert (z.B. wie oft er seine Eltern noch sehen wird, wie viele Tage noch vor ihm liegen …). Dies hat mich sehr fasziniert und ebenfalls ein paar Dinge aufgezeichnet, die noch vor mir liegen. Z.B. werde ich vermutlich noch 240 Mal in meinem Arbeitsleben die Buchhaltungsvorbereitung für meine Steuerberaterin machen. Oder wenn ich davon ausgehe, dass ich ca. 2-3 Waschmaschinen pro Woche habe, dann werde ich noch etwa 4650 Mal Wäsche aufhängen und 4650 Mal Wäsche abhängen.

Tim Urban hat über diese Visualisierungen die Einsicht gewonnen, dass das Leben sehr begrenzt ist. Selbst jeder einzelne Tag des noch vor einem liegenden Lebens passt auf ein DINA4 Papier - welch seltsame Vorstellung! Da bleibt als Konsequenz: mache mehr von dem, was du gerne tust und weniger von dem, was du nicht gerne tust. Aus meiner Sicht bringt auch diese Haltung die Menschen in die Zeitrotationsfalle. Da hechle ich wieder den schönen Momenten hinterher, hake sie sozusagen ab und wundere mich, dass sich das Erleben von Zeitfülle nicht einstellt.

Bei mir haben diese Zeitvisualisierungen etwas ganz anderes ausgelöst: ich finde 25 Reisen als zweidimensionale Kringel auf den ersten Blick tatsächlich irgendwie wenig und ich könnte in Hektik verfallen. Doch eigentlich haben sie für mich eine Dreidimensionalität. Denn da ist die Vorfreude, das tiefe Erleben vor Ort und das lange Nachwirken. So werden aus Kringeln ganz schnell Zylinder. Es ist also viel mehr drin in der Zeit als auf den ersten Blick erkennbar. Auf der anderen Seite finde ich 240 Mal Buchhaltungsvorbereitung eher beruhigend wenig. Und wenn ich Wäsche-Aufhängen zu einer Tätigkeit mache, die mir gut tut, weil ich da wunderbar abschalten kann, dann habe ich fast noch 10.000 Gelegenheiten vor mir, inne zu halten und mir etwas Gutes zu tun. Wie fantastisch.

Und schon sind wir auch wieder beim Zeiterleben. Denn das Geheimnis der Zeit-Haber ist, dass sie den Alltag anders bewerten und damit auch ein ganz anderes Zeitempfinden haben. Es geht also darum, aus Kringel Zylinder zu machen. Doch wie geht das? Es gibt dafür - mindestens - drei wichtige Hebelpunkte:

1) Zeit assoziiert erleben
Wer etwas als beteiligt, involviert und unmittelbar selbst betreffend erlebt, der empfindet dieses Erlebnis intensiver. Wenn ich im Gespräch mit meinem Kollegen ständig gedanklich abschweife, dann habe ich dieses Gespräch als nicht Beteiligter erlebt. Das führt dazu, dass auch diese dafür eingesetzte Zeit als verschwendet und ungenutzt erlebt wird. Wer jedoch mit allen Sinnen bei dem, was man gerade tut, beteiligt ist, erlebt diese Zeit in aller Regel als wertvoll und sinnvoll. Je mehr Ich-nahe Zeit man verbringt, desto stärker ist das Gefühl, viel Zeit zu haben.



2) Zeit in der Gegenwart erleben


Es ist so banal wie wirkungsvoll. Wer Zeit gedanklich in der Gegenwart erlebt, hat mehr von ihr. Wer sehr häufig über Vergangenes nachdenkt, ist nicht im Hier und Jetzt, sondern eben bei längst Vergangenem. Dasselbe gilt für die Zukunftsdenker. Das Grübeln darüber, was alles ansteht, was wann wie zu tun ist, verhindert, dass man die Jetzt-Zeit intensiv erleben kann. Es lohnt sich, die eigenen Gedanken dahingehend einmal zu beobachten. Um im rechten Moment, die Gedanken auf die momentane Situation zu lenken, indem das, was gerade ist, bewusst wahrgenommen wird. 



3) Zeit mit Freude erleben
Zugegeben, dies ist die größte Kunst, wenn man das Zeiterleben verbessern möchte: das was man tut positiv zu bewerten und erleben. Wenn ich das Wäscheauf- und -abhängen als lästig, zeitraubend und nervig bewerte, dann werde ich all diese Zeit als wertlos und verschwendet ansehen (wenn ich hierzu jeweils 10 Minuten veranschlage, dann würde das bedeuten, dass ich 70 Tage meine Lebens einfach so wegwerfe). Wenn ich sie als meine Ruheoasen bewerte, dann habe ich 70 Tage in meinem restlichen Leben, die ausschließlich Zeit für mich sind. Ich selbst kann entscheiden, was ich als positiv, was als neutral und was als negativ bewerte und damit auch so erlebe.

Fazit: Wenn Dein Ziel für 2016 ist, „mehr“ Zeit zu haben, dann erlebe das, was Du gerne tust, noch bewusster und assoziierter und mache aus dem, was du bisher nicht gerne tust, etwas, was Du gerne tust. Achtsamkeit und Hingabe sind die Zauberformel, die Dir Zeit im Überfluss bringt! So einfach ist das.

 


Die Grafiken von Tim Urban auf ze.tt:

Passende Seminare zu diesem Thema:
Zeit-Achtsamkeitstraining am 10.03.16
Schnell-Lese-Kurs am 02.02.16
Ich sag dann mal nein ab 29.04.16
Resilienztraining ab 09.04.16
Flow-Seminar am 19.06.16

Danke für's Teilen :-)

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 1
  • #1

    Nicole Richter (Donnerstag, 31 März 2016 21:50)

    Liebe Iris,
    dein Artikel hat mich sehr zum Nachdenken angeregt - die Kringel ebenso, wie dein schönes Fazit. Es bestärkt mich, mehr im Hier und Jetzt zu sein und mich von Zeitmanagementbüchern, die nach Effizienz und Zeit"ersparnis" klingen, fernzuhalten.. :-)
    Und gleich werde ich mir ein Türschild für meine Bürotür basteln: Vorrübergehend geschlossen: nehme eine Auszeit im Jetzt.

    Liebe Grüße, Nicole