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Ist Lerncoaching eigentlich elitär?

Die 15-jährige Sophia kommt bereits zum 5. Mal in diesem Schuljahr ins Lerncoaching, um sich fit zu machen für die immer größer werdenden schulischen Herausforderungen. Die Eltern unterstützen sie gerne und haben kein Lerncoaching-Limit gesetzt. Leisten können es sich die Eltern und sie wollen es sich auch leisten.

Pauls Mutter kommt zum kostenlosen Vorgespräch mit dem festen Vorsatz ihrem Sohn Paul professionelle Hilfe zukommen zu lassen. Sie ist fest davon überzeugt, dass in ihrem Sohn noch viel unentdeckte Potenziale schlummern. Sie hat lange dafür gespart, sich zumindest 2 Lerncoaching-Stunden leisten zu können. Mehr ist in der momentanen Situation als allein erziehende Mutter dreier Kinder nicht drin.  Jeder aktive Lerncoach kennt solche Fälle wie Sophia und Paul.

 

Sie machen uns immer wieder deutlich, dass der Zugang zu sinnvoller professioneller Unterstützung nicht allen gleich einfach zugänglich ist, vor allem dann, wenn die Kosten von den Klienten selbst getragen werden müssen. Es ist ein Thema, das Lerncoaches sehr beschäftigt. Warum ist das so?

Wenn man als Lerncoach startet, haben viele von uns auch eine idealistische Vision im Kopf: einen Beitrag leisten können, um die Lernlandschaft positiv zu verändern. Lernenden, die oftmals sehr verzweifelt sind, wieder Mut und Glauben an sich selber zu verleihen. Auf der anderen Seite hat man viel Zeit und Geld investiert, um diese Dienstleistung anbieten zu können und natürlich hat man das Recht darauf, dafür entsprechend bezahlt zu werden (wie der Friseur oder der Klempner). In diesem Spannungsfeld bewegen sich viele Lerncoaches, das viele nicht gut aushalten können.

Was ist die Lösung aus diesem Dilemma? Aus meiner Sicht gibt es zwei Ansätze: erstens das Selbstbewusstsein entwickeln, dass es ethisch-moralisch in Ordnung ist, adäquate Entlohnung für die Arbeit als Lerncoach zu verlangen. Und zweitens, Möglichkeiten zu schaffen, um Lerncoachings auch kostenlos oder preisreduziert anbieten zu können.

 

Lerncoaching ist eine bezahlte Dienstleistung
Als Lerncoach bietet man eine wertvolle Dienstleistung an, die selbstverständlich entsprechend entlohnt werden darf. Lerncoaching ist ein Beruf, mit dem man Geld verdient. Toll, wenn er auch noch auf einer Berufung basiert und man etwas Gutes damit bewirken kann.

 

Lerncoaching ist eine richtig gute Investition

Durch Lerncoaching sparen sich die Klienten nämlich an anderer Stelle eine Menge Geld, z.B. reduzieren oder erübrigen sich Nachhilfestunden, und auch die Wiederholung eines Schuljahres oder Semesters (die immense Kosten verursacht) wird oft verhindert etc.

 

Lerncoaching will sich nicht jeder leisten
Viele Klienten könnten sich sehr wohl ein Lerncoaching leisten, nur steht es momentan in der Prioritäten Liste der Anschaffungen nicht ganz oben. Sondern das gemeinsame Essengehen, das zehnte Paar Schuhe, der außerplanmäßige Friseur-Besuch. Man kann andere nicht dazu zwingen, ihre Prioritäten zu verändern.

Natürlich gibt es auch diejenigen, die auf solche Angebote wie das Lerncoaching tatsächlich aus finanziellen Gründen nicht zurückgreifen können. Die sich schon den gemeinsamen Schulausflug oder den Schwimmbadbesuch nicht leisten können. Die jedoch genauso ein Recht auf Bildung und persönliche Weiterentwicklung haben, wie alle anderen auch. Als Lerncoach mit einem ausgeprägten sozialen Sinn kann man immer Lösungen finden. Viele Lerncoach-Kolleg*innen haben hier kreative Ideen entwickelt und leben sehr gut damit:

Lerncoaching als Spende anbieten

Eine bestimmte Anzahl von Stunden als Spende anbieten, z.B. jeden Monat eine Stunde ehrenamtliches Lerncoaching. Wenn diese definierte Stundenzahl aufgebraucht ist, dann kann man Kolleg*innen gewinnen, es gleich zu tun.

Einen Lerncoaching-Geldtopf füllen

Einen Coaching-Topf aufmachen, in dem sich immer etwas Geld für kostenlose oder preisreduzierte Coachings befindet. Dieser Topf kann auf verschiedenste Art gefüllt werden:

  • Von jedem normal bezahlten Coaching einen bestimmten Betrag (z.B. 5 Euro) in den Topf        geben. So können zumindest einzelne Stunden finanziert werden.
  • Sponsoren finden, die Coachings als Spende (gegen Quittung) finanzieren. Kolleg*innen berichten, dass es oft kleine Firmen sind, zu denen man einen persönlichen Bezug hat, die hier spenden. Eine Rückmeldung über den Verlauf und ein abschließendes Dankeschön helfen, diese für eine Wiederholung zu gewinnen.
  • Der Coachee wird ermuntert, einen Sponsor für sich (Verwandte, Bekannte, Firmen ...) zu finden.
  • Der Lerncoach nutzt Möglichkeiten, um Erlöse aus einem Kuchen- / Flohmarkt- / Tombola-Verkauf Geld zu gewinnen, die dann in dem Lerncoaching-Topf landen. Eine Absolventin veranstaltet einmal im Jahr einen Flohmarktverkauf bei sich im Garten für die Füllung der Lerncoaching-Kasse - und das reicht für die Notfälle, die sich im Laufe des Jahres auftun. Und zugleich macht sie auch noch auf sich als Lerncoach aufmerksam!
  • Einen Dienstleistungs-Tausch vornehmen. Eine Klienten-Mutter war z.B. Schneiderin und hat im Gegenzug, dass ich ihre Tochter gecoacht habe, Näharbeiten für mich angefertigt. Eine absolute Win-Win-Situation.

Lerncoaching aus dem ILE-Fond
Und ganz neu können Lerncoaches auch bei mir nachfragen, ob ich ein Lerncoaching finanziere. Seit Herbst 2015 wandern von jeder Lerncoach-Ausbildungs-Investition 15 Euro in den  "ich-lern-einfach!" Lerncoaching-Fond, der allen Lerncoach-Absolvent*innen offen steht. Dem Lerncoach werden 50 Euro zzgl. MwSt. pro Stunde aus diesem Topf gezahlt, maximal werden 3 Stunden je Klient finanziert. Eine Anfrage kann ganz informell an mich per E-Mail gestellt werden.

Fazit: in gewisser Weise ist Lerncoaching durchaus elitär - wir Coaches können jedoch viel tun, um auch Klienten ohne ausreichendem finanziellem Hintergrund eine solche Unterstützung anbieten zu können.

 

Wer Lust hat, als Lerncoach durchzustarten: am 25.11.16 startet die nächste Ausbildung in München! Hier gibt es mehr Infos.

 

Danke für's Teilen!

 

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Kommentare: 2
  • #1

    Victoria Stübner (Donnerstag, 18 August 2016 23:08)

    Ein toller Artikel über eine wichtige Sache und viele gute Ideen. Wir sollten damit viel offensiver noch umgehen, finde ich. Lasst uns doch noch mal ins Radio gehen - oder ins Fernsehen und darüber Sponsoren werben.
    Ich habe eine Zeit lang im Dorfener Integrationszentrum gegen Spendenbescheinigung mit Kindern, die dort für Ihre Hausaufgaben betreut wurden, gearbeitet. Das lief viel auf Abruf und war echt toll. Das werde ich ab Winter auch wieder machen, denn es gewinnen alle Parteien dabei und Spaß macht es obendrein.

    Ab und zu mal die Welt retten. :-)

  • #2

    Nicole Richter-Ulmer (Sonntag, 12 Februar 2017 14:51)

    Der Artikel kam genau zum richtigen Zeitpunkt.
    Ich stand ebenfalls vor dem Dilemma die eigene Leistung angemessen bezahlt bekommen zu wollen und dem Wunsch, LernCoaching als grundsätzliches Angebot ungeachtet des Einkommens verstanden zu wissen.
    Meine vorläufige Lösung ist - von diesem Artikel inspiriert (DANKE!)- der Hinweis darauf, dass ich für kreative Zahlungsmöglichkeiten offen bin. Ich überlege allerdings, ob ich mein Coachinghonorar auch als Staffelbeträge anbieten könnte:
    z.B.
    Mindestbetrag (ein reduzierter Preis)
    realistischer Betrag (das, was ich normalerweise verlangen würde)
    Tu-was-Gutes-Betrag (für gut situierte Klienten, die freiwillig 5 - 15 Euro mehr zahlen wollen, um den reduzierten Betrag für andere mitzufinanzieren.

    Beim Erstgespräch müssten sich die Klienten auf einen Bezahlmodus festlegen - ich kann mir vorstellen, wenn das offen gehandhabt wird, ist das für alle ein Gewinn. :-)