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Zuhören in Online Seminaren geht leichter!

Neulich beklagte sich ein befreundeter Trainer, dass er echte Kommunikation immer mehr vermisse. Er habe das Gefühl zum Stichwortgeber degradiert zu werden statt Gesprächspartner zu sein.

 

Wenn er beispielsweise ein Foto seines letzten Urlaubs von einem tollen Sonnenuntergang zeige, bekommt er postwendend 5 spektakuläre Bilder aus der Fotogalerie seines Gegenübers zurück. Oder wenn er erzählt, dass er gerade ein beeindruckendes Buch lese, wird nicht nachgefragt, was ihn denn daran so begeistert, sondern erfährt, was der andere gerade liest oder was ihm an dem Buch so gefällt. 

Nachdem er mir dies erzählte, fielen mir ganz ähnliche Situationen auf. Und zwar erstaunlich oft - egal ob im privaten oder beruflichen Kontext. Bisher war mir das gar nicht so bewusst. Und ich war zwiespältig, wie ich damit umgehen sollte.
Mein Kollege hat für sich einen ganz eigenen Weg gefunden: er zählt mittlerweile mit. Wenn er 3x zum Stichwort-Geber bei einer Person wird, dann distanziert er sich von ihr und schenkt lieber "echten", auch an seinen Sichtweisen interessierten Menschen seine Zeit. Zumindest dort, wo es geht.
Ich merkte, dass dies nicht meine Reaktion sein kann, denn durch dieses Gespräch stellte ich erstaunt fest: ich bin eine viel leidenschaftlichere Zuhörerin als Erzählerin (auch wenn das mit meinem Beruf als Trainerin unvereinbar erscheint). Das Bedürfnis, die Geschichten, Meinungen und Erlebnisse anderer zu hören, ist tatsächlicher größer als eigene mitzuteilen. Denn die kenne ich ja schon 😉.
Anders ist es bei Diskussionen um Themen, die mir wichtig sind. Bei denen sich Meinung und Einstellung im Laufe des Gesprächs entwickeln und ändern kann. Wo es durchaus auch mal darum geht, andere von meinen Ideen oder Haltungen zu begeistern. Da ist gegenseitiges Zuhören, Reden, Zuhören und wieder Reden natürlich wichtig.
Doch meist höre ich eben lieber zu und freue mich, wenn ich interessante Stichworte liefere. 
Und ich merke, dass dies auch eine Bedeutung in den Trainings hat und ich hier mehr Klarheit gewonnen habe. Viele Seminarthemen animieren zum Erzählen. Das ist gut so, denn es ist ein Zeichen, dass was ausgelöst wurde oder eine Verbindung hergestellt wurde. Auf der anderen Seite kann es viel Raum einnehmen, den andere Teilnehmer/innen nicht geben wollen. 
Als Trainer/in ist es eine Gratwanderung zwischen genug aber nicht zu viel Platz einzuräumen für persönliche Geschichten. Natürlich gehört es zum Trainer-Handwerk dafür geeignetes Setting zu schaffen, aus persönlichen Geschichten das zu Selektieren was auf abstrakterer Ebene für alle interessant ist und immer das Seminarziel im Auge zu behalten und immer wieder dorthin zurückzuführen.
Im Online-Training erlebe ich mehr Raum für persönliche Gespräche, besonders in den asynchronen Phasen (also wenn die Gruppe NICHT live zusammenarbeitet). Dort kann ein ausführlicher, tiefgehender Austausch stattfinden, da jeder selbst entscheidet, wie sehr er sich darauf einlässt. Sowohl das Zuhören und auch das Erzählen ist im virtuellen Seminarhaus leichter möglich. Das gefällt mir gut.
Ich habe in Online Trainings sehr viele private, bewegende Hintergründe von Menschen erfahren, die sie im Teilnehmerkreis nicht geäußert hätten. Dadurch verändert sich die Rolle im OnlineSeminar vom reinen Trainer noch mehr hin zum Coach oder eben einfach zum Zuhörer. Und auch unter den Teilnehmer/innen ergibt sich oft ein tiefgehender Gedankenaustausch, einfach weil der (zeitliche) Raum dafür da ist. 
Meine Freude am Zuhören kann ich in Online-Trainings mehr ausleben - mit ein Grund, weshalb ich diese Lernform so sehr mag! 
Danke für's Teilen! :-)