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Warum ich klassische BarCamps so schätze

bei einem richtigen BarCamp entsteht das Programm erst am Veranstaltungstag
bei einem richtigen BarCamp entsteht das Programm erst am Veranstaltungstag

Am Wochenende hatte ich mal wieder die Gelegenheit an einem klassischen BarCamp teilzunehmen - und war von der Wirkung wie immer geflasht. 

 

Über 40 Session-Angebote bei ca. 150 Teilnehmenden kamen spontan, am Morgen der Veranstaltung allein für den ersten Tag zusammen.

 

Was ich grundsätzlich sehr bedauere ist, dass gefühlt 80% der derzeit betitelten BarCamps gar keine "richtigen", im ursprünglichen Sinne des Erfinders Tim O'Reilly sind. Dieser hatte bereits im Jahre 2003 die Nase voll von Konferenzen und rief daher eine so genannte "Unkonferenz" ins Leben, woraus dann zwei Jahre später die BarCamps entstanden. Wichtigstes Kennzeichen: das Programm und die Inhalte bestimmen die Teilnehmenden selbst, und zwar nicht vorher, sondern direkt auf der Veranstaltung. 

 

Was dies bewirkt, habe ich einmal zusammengefasst.

Offenheit des Rahmens bewirkt Offenheit des Geistes

Als ich Ende September auf das EduCamp in Halle fuhr, wusste ich nur, dass es um Bildung geht und anhand einer unvollständigen Teilnehmerliste wer dabei war. Gekannt habe ich nur zwei Personen. Alles andere war ein echtes Überraschungspaket. Da die Mit-Veranstalterin Nele Hirsch war, wusste ich lediglich, dass es gut werden wird. Mehr nicht.

 

Ich hatte keine Ahnung, welche Session angeboten werden, noch wer etwas anbieten könnte. Dieses Nicht-Wissen führte dazu, dass ich vollkommen unvoreingenommen war. Und dies wiederum bewirkte nicht nur bei mir, sondern auch bei allen eine Offenheit im Geiste. Genau das, was wir im Bildungskontext unbedingt brauchen. 

Echte BarCamps brauchen Vertrauen

Da ich sehr erstaunt war, dass bei immer mehr BarCamps das Programm bereits vorher feststand und damit das Wesen eines BarCamps ja gar nicht gelebt werden kann, fragte ich nach. Und zwar in unserem Newsletter, bei meinen Followern auf LinkedIn und bei der Corporate Learning Community Gruppe: was meinen sie, dass die Gründe sind, dass das Programm von "BarCamps" vorab zum größten Teil schon feststeht.

 

Grund 1: die Befürchtung, dass niemand etwas anbietet.

Grund 2: dass die Teilnehmenden enttäuscht vom Angebot sein könnten. 

 

Mich überraschte das Ergebnis sehr, weil ich ganz andere Erfahrungen machte, und zugleich machte es folgendes deutlich: BarCamps brauchen Vertrauen:

  • Vertrauen, dass es genügend Leute gibt, die eine Fragestellung oder Thema anbieten
  • Vertrauen, dass das, was angeboten wird, interessant und gut ist für die Teilnehmenden
  • Vertrauen in mich selbst als Teilgebende, dass ich es auch ohne große Vorbereitung gut machen werde

 

Genau dieses Vertrauen in die Lern-Community brauchen wir in der Bildung dringend. Das dürfen wir auch in der Gestaltung von Veranstaltungen zeigen!

Richtige BarCamps leben von der Dynamik vor Ort

Echter Austausch und inspirierendes Teilen von Wissen ist dann besonders gut möglich, wenn sich Themen spontan ergeben aufgrund der Dynamik der Menschen, die da sind, weil sie Fragen, Anmerkungen und Diskussionen vor Ort ins Spiel bringen. 

 

So entsteht eine Session oft aus einer Session davor oder aufgrund eines Gesprächs an der Kaffeemaschine am Vortag. Daher kann es sein, dass ein BarCamp einen ganz anderen Verlauf nimmt, als man noch morgens bei der Sessionplanung dachte. Dies muss man als BarCamp Veranstalter:in aushalten können. 

 

Solch eine Bedürfnisorientierung an den Lernenden ist ein wichtiges Kriterium für gelingende Bildung - wie schön, dass sie auf BarCamps gelebt werden kann. 

Die Atmosphäre bestimmt den Verlauf des BarCamps

Ein Event, das von den Teilnehmenden oder Teilgebenden lebt, wird maßgeblich von der Atmosphäre vor Ort bestimmt. Ist es eher eine offene oder eher eine zurückhaltende, eine kritische oder lösungsorientierte, eine konservative oder innovative Gruppe? Je nachdem entwickelt sich der Tag anders und bei einem klassischen BarCamp ist genau dieses Aufgreifen der Stimmung möglich und wünschenswert.

 

Dazu kommt, dass auch die Räumlichkeiten durchaus einen Einfluss darauf haben, wie der Ablauf sein wird und welche Sessions wie stattfinden. Da die allermeisten die Räumlichkeiten vorher nicht kennen, kann auch nicht vorgeplant werden. 

 

Es lohnt sich also, sich spontan auf das einzulassen, was die Atmosphäre und Stimmung verlangt - auch das lässt Lernen und Bildung noch besser gelingen - lasst es uns nutzen!

Fazit: Lasst uns wieder den Mut für richtige BarCamps aufbringen!

Dass das Programm erst am Tag des BarCamps entsteht, ist kein Dogma, das sich irgendwer mal ausgedacht hat, sondern es ist die DNA eines BarCamps, das die Erfolgsgeschichte dieses Lernformats maßgeblich ausmacht.

 

Ich wünsche mir eine Kennzeichnung von BarCamps, die diese Grundidee nicht leben (wenn es also schon vorher einen Sessionplan gibt). Für mich sind es dann - natürlich auch gute, inspirierende und bereichernde - (Online-)Kongresse. Das Argument, dass das Programm ja von den Teilnehmenden gestaltet wird, zählt für mich nicht. 

 

Dass ich mit meiner Haltung natürlich nicht alleine dastehe, zeigt sich u.a. daran, dass es Websites gibt, auf denen nur BarCamps eingetragen werden dürfen, die der Prämisse entsprechen, dass das Programm erst am Tag der Veranstaltung entsteht. So wie diese: https://www.barcamp-liste.de/

 

Ich wünsche mir mehr Mut, mehr Offenheit und va. mehr Vertrauen für echte BarCamps - es lohnt sich sehr!


 

Auch wir veranstalten seit 2020 Online-BarCamps, hier kannst du dich auf dem Laufenden halten.  


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