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Ist NLP eigentlich Manipulation?

Die Diskussion um NLP und Manipulation ist so alt wie das Modell selbst - und eigentlich habe ich diese Diskussion schon so oft geführt, dass ich ihr schon etwas überdrüssig bin. Doch gerade für Neulinge ist diese Frage eine wichtige, so dass ich sie gerne einmal in einem Blog-Artikel aufgreifen möchte.

Wer sich als Unbedarfter gegenüber NLPler dahingehend äußert, dass er gehört hat, dass NLP Manipulation sei, wird vermutlich eines der folgenden Gegenargumente hören: Mit NLP verhalte es sich so wie mit einem scharfen Messer: man kann es zum Brot schneiden verwenden oder um jemanden zu verletzen. Letztlich ist nicht das Modell manipulativ, sondern der Mensch. Richtig. Aber nicht immer überzeugend.

Oder man wird hören: Jede Kommunikation sei Manipulation, denn mit jeder verbalen oder nonverbalen Äußerung beeinflusse man andere Menschen. An dieser Stelle wird dann auch sehr gerne der bekannte Kommunikationswissenschaftler und Psychologe Paul Watzlawick mit seinem viel zitierten Satz „Du kannst nicht nicht kommunizieren“ herangezogen und schnell ergänzt: „Und weil jede Kommunikation Beeinflussung ist, kannst du auch nicht nicht manipulieren!“. Falsch. Denn Beeinflussung und Manipulation sind keine Synonyme. Daher zieht dieses Argument in der Regel auch nicht wirklich, sondern hinterlässt einen schalen Beigeschmack.

Ich persönlich kann sehr viel anfangen mit der psychologisch-wissenschaftlichen Begriffsdefinition von Manipulation. Sie gibt mir eine Leitlinie, wie ich als NLPlerin Manipulation vermeiden kann. Denn das Potenzial für Manipulation ist bei NLP aufgrund seiner hohen Wirksamkeit ohne Frage da.

In der Psychologie spricht man von Manipulation, wenn die folgenden Kriterien erfüllt werden:

1) bewusste Beeinflussung
2) zum eigenen Vorteil
3) den Nachteil des anderen in Kauf nehmend
4) mit undurchschaubaren Mitteln

Punkt 1 "bewusste Beeinflussung"
können wir in den meisten Fällen, in denen wir NLP einsetzen mit „ja“ beantworten. Klar wollen wir mit NLP beeinflussen - andere und natürlich auch uns selbst.

Punkt 2 "zum eigenen Vorteil"
würde ich sehr kontextspezifisch sehen. Manchmal ja (wenn ich an mir selbst arbeite oder wenn ich z.B. in einem Bewerbungs- und Akquisegespräch mit NLP-Techniken eine gute Beziehung aufbauen möchte), manchmal auch nein (z.B. im Coaching, wenn mein Klient im Mittelpunkt steht und es mir ausschließlich um seine Entwicklung geht).

Punkt 3 "den Nachteil des anderen in Kauf nehmen"
ist aus meiner Sicht in dieser Frage das Schlüsselelement: immer dann, wenn ich durch Zuhilfenahme eines wirksamen Instrumentes dafür sorge, dass der andere einen Nachteil hat oder ich einen möglichen Nachteil billigend in Kauf nehme, dann entspricht das nicht den ethischen Werthaltungen des NLP. Zumindest wenn wir uns darauf verständigen wollen, dass das bewusste Handeln zum Nachteil eines anderen ethisch in aller Regel nicht vertretbar ist.

Wenn ich beispielsweise gezielt mit NLP-Techniken eine gute Beziehung aufbaue, um mein Gegenüber zu einer Unterschrift zu ermuntern, die er eigentlich gar nicht tätigen will, dann wird hier NLP manipulativ eingesetzt. Ein guter Zeitpunkt, um einen neuen Weg einzuschlagen, in dem auch mein Gegenüber einen Vorteil haben kann.

In dem Skript eines NLP-Ausbildungs-Institutes las ich im Kontext „Ist NLP manipulativ?“ gar den Satz: „Und ja klar: NLP ist wirksam, weil es auch liebevoll und kreativ manipulativ ist. Manche Leute muss man eben zu ihrem Glück zwingen oder zumindest überlisten ;.)“ Dieser Meinung bin ich nicht, denn das, was ich als Glück betrachte, ist nur in meinem Modell der Welt so, vielleicht ist es bei meinem Klienten ja ganz anders. Wie käme ich dann dazu, jemand anderen meine Version von Glück aufdrängen zu wollen?

Punkt 4 "mit undurchschaubaren Mitteln"
ist durchaus ein kniffliger Punkt. Denn in der alltäglichen Kommunikation und Beziehung zu anderen Menschen setze ich als NLPler ganz automatisch NLP-Methoden und Techniken ein. Selbst wenn es mir in diesen Momenten bewusst wäre, würde ich nicht sagen: „Übrigens, ich pace gerade Deine Körperhaltung“ oder „jetzt habe ich meine Erwartungen an dich mit Hilfe des Metamodells präzisiert…“. Dies nehme ich gerne in Kauf, wenn ich in Punkt 3 sauber bleibe.

Anders sieht es für mich hier in Coaching-Situationen aus: hier arbeite ich mit Klienten natürlich sehr viel mit NLP-Methoden und aufgrund meines Coaching-Verständnisses, nämlich dass jedes Coaching eine Anleitung zum Selbstcoaching ist, versuche ich die verwendeten Methoden transparent zu machen. Den Klienten verständlich machen, wie diese Intervention wirkt und wie er sie selbst bei sich anwenden kann. D.h. zum Beispiel, dass ich im Coaching nicht einfach gerade passende Zustände ankere, sondern dass ich den Prozess des Ankers erkläre, damit der Klient ihn selbständig durchführen kann. Nur so mache ich mich als Coach möglichst schnell überflüssig.

Um die Ausgangsfrage hier noch einmal aufzugreifen „Ist NLP eigentlich Manipulation“ kann ich antworten: NLP ist nicht manipulativ, seine Methoden und Techniken können jedoch von manipulativen Menschen eingesetzt werden. Ein gut ausgebildeter NLPler ist sich allerdings seiner Verantwortung bewusst und kann - wenn er die genaue Manipulations-Definition kennt - NLP ethisch vertretbar einsetzen.

 

Danke fürs Teilen :-)

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Kommentare: 6
  • #1

    Goran (Sonntag, 05 Juli 2015 19:47)

    Vielen Dank für Deine Worte und Gedanken.

  • #2

    Ulrich Eckardt (Montag, 05 Oktober 2015 13:55)

    Beeinflussung, egal ob zum Vorteil oder Nachteil eines einzelnen oder einer Gruppe ist das Normalste auf der Welt. Tagtäglich beeinflussen wir unsere Mitmenschen. Egal ob wir unseren Partner mit Aufmerksamkeiten "positiv" stimmen, oder unsere Kinder maßregeln, wir nutzen es meist um einen positiven Effekt zu erreichen.
    Kritisch wird es, wenn Unwahrheiten als Wahrheiten verkauft werden und wenn man durch Leaden eine positive Grundstimmung vorher aufbaut. Ich habe zwei Reden von Obama und Merkel bzw. eine Nachrichtensendung von Claus Kleber in Hinblick auf Beeinflussung hin genauer angeschaut.
    Hier ein Link, der http://hypnosis-praxis.de/2015/10/manipulation-in-medien-politik-und-verkauf-der-ja-faktor/

    Beste Grüße

    Ulrich Eckardt

  • #3

    Tobias (Samstag, 21 Juli 2018 21:08)

    Wie kann denn das NLP ethische Wertehaltungen haben, wenn es nur ein Werkzeug ist?

  • #4

    Gert (Dienstag, 18 August 2020)

    Gefällt mir sehr gut - Danke Iris. :-)

  • #5

    Harald Brill (Mittwoch, 26 August 2020 21:00)

    Menschen sind manipulativ, NLP ist es nicht. Jemanden Manipulation zu unterstellen ist manipulativ. Deine vier Kriterien für Manipulation entsprechen dem Tatbestand des Betrugs. Zu behaupten NLP sei ein Betrug ist hochgradig unseriös.
    Ich unterrichte NLP so wie ich Karate bei meinem Lehrer gelernte habe. Wir hatten 88 Teilnehmer im Beginnerkurs. Im ersten halben Jahr haben wir viel Gymnastik gemacht, in Stille gesessen und uns vor allem immer wieder verbeugt. Dann gab es einen gelben Gurt, da waren noch 45 da. Dann haben wir wieder Gymnastik gemacht und Techniken geübt und nach 6 Monaten gab es den orangen Gurt. Da waren noch 30 da. Dann haben wir 6 Monate Techniken geübt, uns verbeugt und Gymnastik gemacht, dann gab es den grünen Gurt. Dann waren noch 20 da. Die 20 haben dann mit kämpfen angefangen. Unsere Mannschaft hat öfters gewonnen. Auch ich wurde mal Hessenmeister in der Mannschaft und allein. So unterrichtet man am besten Haltung. Man lernt sich zu verbeugen.
    Danke für deinen schönen Artikel, liebe Iris!

  • #6

    Jan (Freitag, 09 April 2021 08:14)

    Bin leider auf eine Frau reingefallen die sich als Coach bezeichnet. Sie hat Kick ausgenutzt um ihren Internetauftritt kostenlos zu realisieren und als alles fertig war hat sie ihre Maske fallen lassen. Ich stehe allen Psychologen, Psychiater und Coaches skeptisch gegenüber. Alles Scharlatane!